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Gestaltungssatzung Heide - Regeln für die gemeinsame Arbeit am Stadtbild
ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
GESTALTUNGSSATZUNG HEIDE - Regeln für die gemeinsame Arbeit am Stadtbild
Viel und oft wurde im letzten Jahr über die Gestaltungssatzung der Stadt Heide gesprochen. Nicht
zuletzt, weil wir ihren 25. Geburtstag gefeiert haben. Wir blicken auf eine 25 jährige
Erfolgsgeschichte zurück. Es ist richtig und wichtig über diese, unsere gemeinsamen Spielregeln
oft und intensiv zu reden, sie uns immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, und ihre Berechtigung
und ihren Sinn aufs stetig Neue zu vergewissern und zu verinnerlichen.
Nicht nur deshalb bedanke ich mich daher als erstes ganz herzlich bei Ihnen für Ihre Einladung
hier. Für Ihre Einladung diesen Dialog über unsere Spielregeln weiter zu führen. Für Ihre Einladung
weiter an der qualitativen Aufwertung des Stadtbilds von Heide gemeinsam zu wirken.
Für mich besteht nun die Kunst darin, an solchen Informationsabenden, immer wieder anders
anzufangen, damit es nicht langweilig wird. Aber das Thema ist so vielschichtig und komplex, dass
das nicht schwerfällt. So fange ich heute schlichtweg mit dem Namen an.
Was heisst eigentlich Gestaltungssatzung? Lassen sie uns das Wort in seine Einzelteile zerlegen,
analysieren.
Gestaltungssatzung Heide - Regeln für die gemeinsame Arbeit am Stadtbild
ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
Gestaltung ist der Einfluss auf die Gestalt, die Morphologie, die Beeinflussung des äusseren
Erscheinungsbilds. Eine Satzung sind Regeln, allgemeingültig und bindend, auf kommunaler
Ebene. Unsere eigenen Regeln, die wir uns selber aufstellen, und die uns selber betreffen.
Gestaltungs - Satzung: Wieder zusammengesetzt in einem Satz: Wir einigen uns auf allgemein
gültige und bindende Regeln über die Gestalt und das äussere Erscheinungsbild unserer Stadt.
Warum tun wir das? Wo ist die Notwendigkeit? Wo liegen die Vorteile? Es hat doch Jahrhunderte
scheinbar ohne solche Regeln funktioniert, oder? Warum überlassen wir diese Frage der
Gestaltung nicht den vielen Einzelakteuren und den Notwendigkeiten des Marktes? Warum lassen
wir nicht einfach zu, dass gleichsam ein bunter Strauss, die bunte Tüte, ein wohlmöglich
wunderbares Chaos entsteht. Das könnte doch vielleicht auch seinen Charme haben, oder?
Aber lassen Sie uns noch einmal
zurück gehen zum ersten Wortteil.
Zur Gestalt - gemeint ist die Gestalt
der Stadt, zur Gestaltung von
Stadtraum. Wie funktioniert das?
Was passiert da, wenn über
Jahrhunderte so ein faszinierendes
und schön gestaltetes Objekt wie
eine Stadt entsteht?
Alles was wir tun bildet sich im Raum
ab. Brennt sich ein in den Grundriss
der Stadt. Wir hinterlassen Spuren.
Ständig und überall. Auch wenn wir es wohl kaum bemerken und wahrhaben wollen. Die Stadt und
ihre Räume sind unsere vierte Haut (vorrechnen). Und so wie es uns eben nicht egal ist, wie
unsere Haut aussieht, wie wir uns darum kümmern wie wir uns kleiden, wie wir uns auch bemühen
dass unser Haus oder unsere Wohnung in gutem Zustand sind - genauso ist es uns auch nicht
egal, wie der Stadtraum um uns herum aussieht. Darum kümmern wir uns. Die vielen
Rückmeldungen, die ich im Rathaus
von Bürgerinnen und Bürgern zu
diesem Thema wöchentlich, fast
täglich erhalte, sprechen da eine
deutliche Sprache. Und so wie wir
uns heute modisch kleiden im Stile
und Ausdruck unserer Zeit, so
hinterlassen wir auch Spuren in der
gebauten Umwelt.
Für mich ist die Stadt ein
wunderbarer Organismus. Ein
Gestaltungssatzung Heide - Regeln für die gemeinsame Arbeit am Stadtbild
ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
riesiges Lebewesen mit eigener
Seele und Individualität. Tausende
Lebensentwürfe überlagern und
verdichten sich, mischen sich,
erzeugen maßlose Zufälle. Ein
ständiges neben- und übereinander
von Geschichten unendlich
aneinandergereiht, viele
Jahrhunderte zurück reichend.
Schau mal da vorne, der Hund von
der Oma leckt die Eiskugel, die dem
kleinen Jungen heruntergefallen ist.
Vor 80 Jahren ist ihr an der gleichen
Stelle das gleiche passiert - in der Allee gegenüber der Kirche.
Solche kleinen Alltagsgeschichten, die in der Innenstadt von Heide jeden Tag zu hauf passieren,
werden zu Lebensweisen, zu Gewohnheiten, zu Bräuchen. Diese wiederum bilden sich in der
Baukultur der jeweiligen Zeit ab, und werden so zu Stadtraum und generieren das Stadtbild der
jeweiligen Zeit. Das alles ist hochgradig individuell und persönlich mit eigener Seele versehen.
Diese Geschichten sind unsere Geschichten und sie formen das Gesicht unserer Stadt. Jede Falte
eine Gasse, jedes graue Haar ein altes Gebäude aus ferner Zeit.
Die Stadt und ihr
Grundriss sind ein
Buch, in dem wir heute
lesen können, wie es
in den verschiedenen
Zeitschichten war. Die
enge mittelalterliche
Stadt der Gassen und
Hinterhöfe erzählt von
den ärmlichen
Anfängen und einem
Leben, dass nur in
extremer Dichte
miteinander bewältigt
werden konnte. Die
großen Blechboxen an
den Einfallstrassen
erzählen davon, wie wir heute automobil unsere Einkäufe erledigen und unser Leben darum herum
organisieren. Das Bedürfnis ist heute ablesbar, individuell nutzbaren Raum um uns herum als
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ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
Abstandsfläche zum Mitmenschen zu haben. Das Formen und Entstehen von Stadtgrundriss und
Stadtbild ist eine Kulturtechnik, die weit in die Menschheitsgeschichte zurückweist, und
vergleichbar mit der Sprache oder der darstellenden Kunst ist. Und wir in Europa vergessen oft
und gerne, welch grandioser Schatz diese Kulturtechnik darstellt. Ein über Jahrhunderte
gewachsenes Stadtbild ist ein riesiges Pfund mit dem wir wuchern können - wenn wir es denn
richtig anstellen.
Die Magie und Anziehungskraft, die
von diesem Schatz ausgeht, ist
auch hier ungebrochen - ja, sie
erlebt gerade sogar eine
Renaissance. Der Trend "zurück in
die Stadt" ist auch in Heide deutlich
spürbar. Heide wächst, während die
Region um uns herum als Ganzes
betrachtet, schrumpft. Die
Menschen entdecken und schätzen
den Wert dieser gewachsenen
Errungenschaften von Stadt. Dichte
erzeugt kurze Wege und eine gute
Erreichbarkeit aller wichtigen
Einrichtungen. Mischung erzeugt eine vielfältige und offene Bürgergesellschaft, die ein friedliches
Zusammenleben fördert.
Der Kristallisationspunkt all dieser Vorzüge und Vorteile ist das Zentrum der Stadt. Dies ist das
Aushängeschild, die Visitenkarte und der
zentrale Identifi kationsort der gesamten
Stadtlandschaft. Auf diese Stelle ist das
Hauptaugenmerk der Stadtbewohner
gerichtet. Dieser Ort ist gesamtstädtisch
am stärksten historisch aufgeladen.
An diesem zentralen Ort galten für die
Gestaltung der privaten Gebäude und
auch des Stadtraumes stets
ungeschriebene Regeln und
Gesetzmässigkeiten, an die sich die
privaten Akteure peinlich halten mussten.
Diese galten für die Materialität, das
Ausmass und die Grundformen der lokalen Architektur. Der stark eingeschränkte äussere Einfluss
hat zu einem im Wesentlichen einheitlichen Gesamtbild geführt. Behutsam fanden neue Stile und
Geschmacksrichtungen den Weg auch in die Heider Innenstadt. Modernität war nie
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ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
ausgeschlossen, wenn sie
dem Formenkanon und der
groben Dimensionierung des
Vorhandenen folgte. Die
tradierte Formensprache des
Ortes wurde stets weiter
entwickelt ohne sie in ihren
Grundprinzipien zu
verändern.
Diese sind: kleinteilige
Parzellenstruktur, geneigte
Dächer, stehende
Fensterformate mit
zunehmender Kleinteiligkeit
zu den Obergeschossen, Fassaden als Lochfassaden ausgeprägt (Wandflächen überwiegen
prozentual gegenüber zu
Öffnungen). Die Individualität,
Hinweise auf die Persönlichkeit
des Eigentümers oder der
Geschäftsart wurden
massgeblich über die
Fassadenarchitektur
kommuniziert. Ansehen und
Status wurden über Architektur
generiert und offen gezeigt.
Materialität, Gestik und
Ornamentik hatten die
Funktion das Innere des
Gebäudes, seinen Inhalt und
seine Funktion in den
öffentliche Raum zu tragen. So wurde Ansehen erzeugt und das Selbstwertgefühl gestärkt.
Gleichsam einem teuren Anzug, oder einer goldenen Uhr, die den Träger in diesem Sinne ebenso
erheben sollen.
Und dann begann es ebenso früh mit Werbung, die an der
Gebäudefassade befestigt wurde. Meist vom ortsansässigen
Schmied oder Schlosser in immer ähnlichem Stil gefertigt
wurde sie üblicherweise in der Erdgeschosszone an den
immer gleichen Stellen angebracht: ein Schild über dem
Eingang, und ggf. ein zusätzliches auf der Gebäudeecke,
welches gering in den Stadtraum ragt. Alle diese
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ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
Gestaltungstechniken hatten die Funktion den Kunden über die Existenz eines Geschäfts oder
Gewerbes zu informieren, ohne dabei den öffentlichen Raum zu beeinträchtigen. Die Existenz und
Wahrnehmbarkeit der benachbarten Geschäfte wurde nicht eingeschränkt. Alle weiteren
Informationen konnte sich der potenzielle Kunde durch den Blick in die Fenster, oder durch den
Eintritt in den Laden holen. Es wurde also Wert auf die Formulierung des eigenen Ansehens, der
eigenen Wahrnehmbarkeit und der eigenen sozialen Anerkennung gelegt, unter gleichzeitiger
strikter Wahrung des Respektes gegenüber dem öffentlichen Raum und dem Nachbarn.
Und dann kommt die neue Zeit - sogar nach
Heide. Und auch die Katastrophen des 20.
Jahrhunderts schlagen bis nach Heide durch.
Wir verlieren unser Ansehen und vielerorts
damit auch unser Gesicht, unsere Fassaden.
Die nicht selten tristen Architekturen der 50er
und 60er Jahre sprechen da eine deutliche
Sprache. Die vorbeschriebenen feinen Regeln
des Formulierens von Ansehen, des
Austausches von Innen und Aussen, der
Dialektik von Öffnung und Wand gerinnen zu
fader Funktionalität und Monotonie. Eine neue
Kultur der Mobilität hinterfragt zudem zunehmend radikal den konkreten Ort innerhalb eines
Stadtraums. Welche Bedeutung hat überhaupt noch der Kunde, der zu Fuß an ein Schaufenster
herantritt? Und später sollen dann den Rest die Werbestrategen auf globalem Niveau regeln. Für
praktisch ortlos agierende Megakonzerne designen sie beliebig oft reproduzierbar die Fassade
zum Display. Und eine zunehmende Virtualisierung aller Lebensbereiche transformiert diese weiter
zum Interface. (façade = Gesicht)
Das ist der Tiefpunkt. Wir werden
angeschriehen und laufen unter Fernsehern
herum. “UND? WANN KOMMST DU?” Hier
an diesen Stellen hat die Stadt all das
verloren was sie einst für den Menschen
attraktiv und lebenswert gemacht hat. Diese
Räume torpedieren und erschweren massiv
den sozialen Austausch, den kultivierten
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ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
zwischenmenschlichen Umgang und letztendlich das friedliche
Zusammenleben. Das vorhin erwähnte große Pfund der "Magie",
welches uns Wachstum und wirtschaftliche Prosperität sichert, ist
hier restlos verspielt. Aber eben nur hier, und zum Glück gibt es
Orte mit den beschriebenen Qualitäten, die uns erhalten
geblieben sind, weil Heide vor 25 Jahren richtige
Weichenstellungen getroffen hat.
Die Gestaltungssatzung war 1989 bei ihrer
Aufstellung heiss diskutiert und umstritten. Doch
heute können wir im Vergleich zu anderen Städten
in der Region die Ernte einfahren. Andere Städte,
die damals mit dem Umgang ihres baulichen Erbes
liberaler verfahren sind, haben heute nicht nur
massive Probleme mit ihrem innerstädtischen
Einzelhandel, sie haben ihn zusammen mit allem
was Stadt ausmacht inzwischen fast vollständig
verloren. Man wollte dort seinerzeit durch liberale
Regeln die Architektur und Werbung betreffend dem
innerstädtischen Einzelhandel
was Gutes tun, und hat ihm doch
genau damit letztendlich das
Grab geschaufelt. Und dies
beantwortet dann auch die
eingangs von mir gestellten
offenen Fragen, ob es denn
überhaupt gemeinsamer Regeln
in diesem Bereich brauche.
Wir haben die Arbeit an unserem
Stadtbild auf eine breite Basis
gestellt und die poltischen
Akteure und den Einzelhandel
früh und stetig in diese Arbeit mit einbezogen. Nicht selten waren wir über die Einsicht und das
Verständnis, die wir vorfi nden konnten, erstaunt. Und auch nach der Aktualisierung der
Gestaltungssatzung, die den Bereich der Fassadenwerbung im unmittelbaren Marktbereich betrifft,
ist die weitgehend breite Unterstützung ungebrochen - die inzwischen zahlreichen gebauten
Beispiele und die jeweils vorangegangenen sehr positiven Gespräche mit den privaten Akteuren
sind ein deutliches Zeugnis dessen.
Gestaltungssatzung Heide - Regeln für die gemeinsame Arbeit am Stadtbild
ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
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ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
Die Gestaltungssatzung ist heute ein
Erfolgsmodell, mit dem Heide gut für die
Zukunft aufgestellt ist, wenn wir auch in
Zukunft diese Regeln konsequent und
umfassend anwenden und wenn wir diese
Regeln an die neuen Anforderungen und
Bedrohungen anpassen. Aus unserer Sicht
besteht dringender Handlungsbedarf bei der
stärkeren Regulierung gewerblicher
Werbeanlagen, gerade in den Bereichen der Stadteingänge (Interface). Zudem sehen wir mehr
und mehr das Problem der maßstabssprengenden Werbung in den sensiblen Wohnbereichen
unserer Stadt. Hier hat die letzte Novellierung der Landesbauordnung eine deutliche Deregulierung
in diesem Bereich nach sich gezogen, die uns geradezu zwingt, mit lokalem Ortsrecht
einzuschreiten. Wir haben vom Bauauschuss den politischen Auftrag erhalten in diese Richtung
unsere Gestaltungssatzung zu überarbeiten. Dieser Prozess ist im Gange. Ich erläutere ihnen kurz
die Grundideen dieser Überarbeitung.
Gestaltungssatzung Heide - Regeln für die gemeinsame Arbeit am Stadtbild
ein Vortrag von Stadtbaurat Georg Jahnsen
Die Arbeit am Stadtbild fi ndet
auch abseits der
Gestaltungssatzung statt und
bedeutet gerade für uns eine
stetige Arbeit und
Verbesserung der öffentlichen
Räume. Das ist unser
Handlungsfeld und Auftrag
außerhalb der meist privaten
Fassaden.
“Weniger ist
besser”
könnte dabei ein
Leitmotiv sein. Oberes Ziel
unserer Arbeit ist es die